Jung-PädagogInnen leiden im Kindergarten und im Klassenzimmer nicht selten unter Identitätsproblemen. Zum einen werden sie als unerfahrene PraktikantInnen abgestempelt, zum anderen müssen sie enorme Verantwortung übernehmen. Univ.-Prof. Dr. Agnieszka Czejkowska, Professorin für LehrerInnenbildung und Schulforschung an der Uni Graz, zeigt in ihrem Projekt „Facing the differences“ Widersprüche und Konfliktpotenziale des pädagogisch-professionellen Selbstverständnisses auf. Die Wissenschafterin leistet damit einen weiteren Beitrag zum Schwerpunkt „PädagogInnenbildung Neu“ an der Karl-Franzens-Universität.
„Es gibt insbesondere in unserer von Globalisierungsprozessen gekennzeichneten Gesellschaft keine homogenen Unterrichtsgruppen oder Klassen“, unterstreicht Czejkowska. Die Ausbildungskonzepte jedoch beruhen noch auf stabilen Identitäten, wie Geschlecht, Nationalität und soziale Herkunft. Dieses Faktum bildete für Czejkowska die Ausgangslage, die Prozesse bei angehenden KindergartenpädagogInnen, KunstlehrerInnen und KulturvermittlerInnen zu beobachten und im Projekt „Facing the differences“ alle Beteiligten, also SchülerInnen, LehrerInnen, Studierende und WissenschafterInnen, gemeinsam forschen zu lassen. Im Mittelpunkt stehen nicht die einzelnen Zielgruppen, sondern das Lernen bzw. Lehren an sich.
Das Team umfasste in den vergangenen zwei Jahren mehrere Institutionen, darunter die Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik (BAKIP) „mater salvatoris“ in Wien, mit insgesamt mehr als 40 Personen und fand in der Programmreihe „Sparkling Science“ finanzielle Unterstützung durch das Wissenschaftsministerium.
„Wir müssen weg von den klassischen Bildern. Differenzen – damit sind Unterschiede angesprochen, die über Fragen der Interkulturalität hinausgehen – lassen sich nicht ausblenden“, appelliert Agnieszka Czejkowska, die im Herbst 2011 an die Uni Graz berufen wurde und das Projekt in Kooperation mit der Akademie der bildenden Künste Wien zu Ende führt. Die Ergebnisse der Untersuchung werden derzeit ausgewertet. Klar ist bereits jetzt: Globalisierung und Pluralität wirken sich eindeutig auf pädagogische Berufe aus. „Wir wollen den PädagogInnen auch vermitteln, dass sie mit ihrer Verantwortung nicht allein sind“, führt die Professorin für LehrerInnenbildung und Schulforschung eine gesellschaftspolitische Komponente ins Treffen. Ziel ist es, Lehr-Lernmodelle, die in die Ausbildung am künstlerischen Lehramt sowie in die Kindergartenpädagogikausbildung einfließen sollen, zu entwickeln.
„Wir wollen den PädagogInnen auch vermitteln, dass sie mit ihrer Verantwortung nicht allein sind.“ Univ.-Prof. Dr. Agnieszka Czejkowska
Minister Töchterle: „Ein wissenschaftlich höchst relevantes Signal“
Wissenschafts- und Forschungsminister Dr. Karlheinz Töchterle zeigt sich erfreut über die Initiative der Uni Graz. „Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Perspektiven des Lehrberufs ist eine zentrale gesellschaftspolitische Aufgabe, die zur Stärkung von Bildung als Ressource der Zukunft beiträgt“, so Töchterle. Besonders die Umsetzung im Rahmen von „Sparkling Science“, dem erfolgreichen Nachwuchsförderungsprogramm des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, zeigt, wie effektiv und lösungsorientiert bestehende Instrumente genützt werden können. „Damit setzt die Uni Graz ein wissenschaftlich höchst relevantes Signal und trägt gemeinsam mit anderen Universitäten maßgeblich zur Entwicklung der neuen Lehrer/innenbildung bei“, betont der Wissenschaftsminister.
Kein Kinderspiel im Kindergarten: Ausbildung gemeinsam weiterdenken
In der Elementarpädagogik setzt ein weiteres an der Uni Graz geplantes Projekt an. Univ.-Prof. Dr. Cornelia Wustmann, Professorin für Frühkindpädagogik, hat das Konzept entwickelt. Hinter dem Titel „Ausbildung gemeinsam weiterdenken“ steckt der Grundgedanke, die Ausbildung in der Kindergartenpädagogik neu auszurichten und zu optimieren. „Die Erkenntnis, dass sich Kinder durch forschende Auseinandersetzung mit der Welt bilden, hat weitreichende Konsequenzen für das pädagogische Handeln“, begründet Cornelia Wustmann. Auch sie bevorzugt den partizipativen Ansatz und will SchülerInnen, LehrerInnen, Studierende sowie WissenschafterInnen zusammenbringen, um forschendes Lernen als Leitprinzip in der Ausbildung stärker zu verankern.
Die Projekte zählen zum gesamtuniversitären Forschungsschwerpunkt „Lernen – Bildung Wissen“.