Im Rahmen einer Lehrveranstaltung die vom Institut für Pädagogische Professionalisierung organisiert und von Mag. Natscha Khakpour und Mag. Rosemarie Ortner geleitet wurde, verbrachten 17 Lehramtsstudierende jeweils 40 Stunden in Schulen oder anderen Bildungseinrichtungen, unterstützen die dortigen PädagogInnen und sammelten selbst Erfahrungen in der pädagogischen Arbeit.
Im Zentrum stand der Unterricht von Kindern und Jugendlichen, die aus ihren Heimatländern geflüchtet sind. Die meisten Studierenden besuchten während des Sommersemesters regelmäßig Schulen in Graz, in denen sie sich auf einer 1:1-Basis oder in Gruppen um die SchülerInnen kümmerten, sie beim Deutschlernen und beim Aneignen des regulären Unterrichtsstoffes unterstützten. Andere Studierende arbeiteten in Vereinen, die außerschulisch Lernbegleitung anbieten, und trafen sich wöchentlich mit einzelnen Jugendlichen zum Aufarbeiten des in der Schule Gelernten. Einige Studierende engagierten sich im Bereich der Erwachsenenbildung in Vereinen in Graz, Weiz, Bruck an der Mur und St. Marein, vor allem in Deutsch als Zweitsprache-Kursen. In begleitenden Seminareinheiten hatten die Studierenden Gelegenheit, ihre Erfahrungen vor dem Hintergrund migrationspädagogischer Theorie zu reflektieren.
Rosemarie Ortner, eine der beiden Lehrveranstaltungsleiterinnen, erzählt von einem positiven Effekt sowohl für die Lernenden als auch für die Lehrenden. „SchülerInnen hilft die zusätzliche, oft individuelle Betreuung beim Ankommen in der Schule und beim Erlernen der deutschen Sprache natürlich sehr. Es entstehen dabei auch persönliche Bindungen, die die jeweiligen Sichtweisen ändern und bereichern können. Für die Studierenden war es wiederum - neben dem praktischen Trainieren ihrer Fähigkeiten als Lehrende - interessant zu beobachten, wie sich die eigene Wahrnehmung durch diese Erfahrung geändert hat“, berichtet Ortner. So verzichten einige Teilnehmende des Proseminars nun bewusst auf den Begriff „Flüchtling“. Dieses Wort, eigentlich ein rechtliches Konstrukt, werde oft in negativem Kontext oder als verallgemeinernde Bezeichnung gebraucht, dabei handle es sich hier um Menschen mit Namen und individueller Geschichte, so Ortner.
Auch ein prinzipielles Problem von Pädagogik in der Migrationsgesellschaft – die auf eine ganz spezielle Weise hierarchischen Verhältnisse zwischen Lehrenden und Lernenden – wurde von den Studierenden kritisch hinterfragt. „Einerseits wollten unsere Studierenden bewusst Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung unterstützen. Andererseits ist ihnen auch klar, dass dieses Engagement aus einer sehr privilegierten Position heraus entsteht. Diese ungleichen Machtverhältnisse und die pädagogischen Effekte klar anzusprechen, ist eine wichtige Voraussetzung für einen Unterricht für alle Kinder“, schildert Ortner. Gleichzeitig kritisiert sie die fehlenden Ressourcen und Konzepte für genau diese Form des gemeinsamen Lernens, die in Zukunft wohl gezwungenermaßen noch stärker forciert werden müsse.
Das Fazit der Bildungswissenschafterin: Deutsch zu lernen werde oft als oberstes Ziel betrachtet. Mindestens ebenso relevant sei es aber, Kindern und Jugendlichen mit Fluchthintergrund die Teilhabe am Unterrichtsgeschehen zu ermöglichen und sie in den Schulalltag einzubinden, auch wenn es noch keine oder geringe Deutschkenntnisse gibt. Da sei pädagogische Kreativität gefragt – eine Herausforderung, mit der die TeilnehmerInnen des Proseminars gut umgegangen sind: „Die Studierenden haben ein hohes Maß an pädagogischer Sensibilität und Professionalität bewiesen. Das macht Mut für die Bewältigung jener Aufgaben, die im Bildungsbereich künftig auf uns zukommen.“ Das Proseminar soll im nächsten Sommersemester jedenfalls wieder angeboten werden.